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Stellungnahme Petition Netto

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Stellungnahme Petition Netto

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

 

die Ereignisse der letzten Tage und die nun gestartete Online Petition haben mich dazu veranlasst, nochmal ausführlich zum Thema rund um den geplanten Netto Markt Stellung zu nehmen. Zunächst einmal ist es erfreulich zu sehen, dass es in unserer kleinen Stadt immer wieder einen gelebten demokratischen Diskurs gibt. Dies zeugt davon, dass wir sehr viele engagierte Bürgerinnen und Bürger haben, denen Widdern mitsamt seinen Ortsteilen wichtig ist und man sich gerne für oder gegen gewisse Themen einsetzt. Es ist auch vollkommen legitim im Falle des geplanten Netto Markts eine andere Meinung zu vertreten. Was mich persönlich jedoch stört ist, wenn diese Meinung mit Argumenten unterlegt wird, die einfach unzutreffend und unwahr sind. 

 

 

Nun aber der Reihe nach:

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Versorgungssicherheit einer Ortschaft, eine der Kernaufgaben einer Verwaltung ist. Nach meinem Amtsantritt in 2019 war eines der ersten Themen die Schließung des BAG Marktes in Widdern. Damals gab es zu Recht große Proteste und Bedenken in der Bürgerschaft. Trotz vehementem Veto unsererseits, konnten wir die Schließung nicht verhindern. Damals war aber bereits klar, dass wir uns auch auf die Zukunft gerichtet, nach neuen Möglichkeiten zur Versorgung der Ortschaft umsehen müssen. Zwar gibt es aktuell noch eine Versorgungsmöglichkeit durch den Edeka Breitenöder aber bereits in 2019 hatte ich ein persönliches Gespräch mit Herrn Breitenöder bei mir im Rathaus, wo das Signal kam, dass der Laden nicht mehr lange Bestand haben wird. Die Gerüchte, man hätte nie das Gespräch gesucht, kann ich widerlegen. Das Gespräch fand am 09.10.2019 statt und ich habe hierzu sogar noch einen entsprechenden Gesprächsvermerk. Es gab in der Folge auch noch weitere Gespräche mit meiner Stellvertreterin und der Verwaltung mit Herrn Breitenöder zu diesem Thema.  

 

Dadurch war klar, dass es einer Lösung bedarf um die Attraktivität von Widdern auch in Zukunft zu erhalten. Über die letzten Jahre hatte ich Kontakt zu 6 Lebensmittelketten. Es kam jedoch immer wieder die Aussage, dass Widdern zu klein und zu unwirtschaftlich für einen entsprechenden Markt mit Vollsortiment wäre. Auch alternative Konzepte wie „Tante M“ habe ich geprüft. Es gab eine Ortsbegehung mit einem Vertreter von Tante M.  Letztlich scheiterte aber auch dies aufgrund des fehlenden zentralen Standorts. 

Um den entsprechenden Standort (an gewohnter Stelle) haben wir uns übrigens bemüht, jedoch wurden unsere Kaufangebote mehrfach abgelehnt ohne Nennung eines entsprechenden Gegenangebots. 

 

Als ich dann im Frühjahr letzten Jahres Kontakt mit einem Investor von Netto aufnahm und die ersten Gespräche sehr positiv waren, keimte die erste Hoffnung auf, hier tatsächlich eine nachhaltige und dauerhafte Lösung für unsere Stadt schaffen zu können. Netto war hier mehr als kulant und ist auf die besondere Situation in Widdern eingegangen. Grundsätzlich planen Lebensmittelmärkte mit einer Verkaufsfläche von min. 1.000 m² um das gesamte Sortiment anbieten zu können. Bei einem ersten Vorgespräch beim Regionalverband Heilbronn-Franken wurde jedoch deutlich, dass diese Größe für Widdern nicht genehmigungsfähig sei. Hintergrund sind die Bedenken des Regionalverbands, hierdurch dem Dorfladen in Jagsthausen zu schaden. 

Ein Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von maximal 800 m² sei aber zulässig, da hier keine Großflächigkeit bestehe und der Regionalverband dadurch nicht zustimmen müsse. Netto hat daraufhin die komplette Planung geändert und eine Sonderlösung für Widdern geschaffen, die einmalig ist. Alles vor dem Hintergrund, dass erkannt wurde, wie hervorragend sich die Stadt Widdern in den letzten Jahren entwickelt hat und wie gut die Aussichten für die Zukunft sind, was Wohnraum, Arbeitsplätze und sonstiges betrifft. 

 

Im Vorfeld haben wir natürlich versucht mit Netto eine alternative Lösung zur Bäckerei zu suchen, da uns die Bäckerei Reinert natürlich sehr wichtig ist. Auch persönlich schätze ich die Familie Reinert sehr und habe großen Respekt vor der nunmehr 175-jährigen Familientradition. 

Eine Bäckerei im Eingangsbereich des Marktes ist jedoch die Grundphilosophie von Netto und damit auch fester Bestandteil eines jeden Marktes. Die Gründe liegen zum Einen natürlich im wirtschaftlichen, denn die Pachteinnahmen durch einen Bäcker sind sichere Einkünfte, zum Anderen geht es aber auch um die Ausstrahlung des Ladens und die einladende Wirkung von frischen Backwaren im Eingangsbereich. Klar ist also, es wird keinen Netto geben ohne, dass es dort auch einen entsprechenden Bäcker gibt. 

 

Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Familie Reinert das Vorrecht bekommt, in die Filiale im Netto einzuziehen und hierzu auch ein Gespräch mit der Familie Reinert und den Vertretern von Netto geführt, um die Konditionen zu besprechen. Ohne dass ich diese an dieser Stelle genau benennen darf, kann ich sagen, dass die Konditionen fair sind. Es gibt entweder eine fixe Pacht oder wenn der Umsatz hoch genug ist eine Umsatzpacht. Wir waren bei dem Gespräch auch noch in der Lage beim Thema Umsatzpacht 2 Prozentpunkte nach unten zu handeln. Dass es einen gewissen Investitionsbedarf für Theke, Einrichtungsgegenstände, etc. geben muss, ist verständlich. Aus Sicht der Stadt Widdern haben wir alles erdenklich Mögliche getan um die Bäckerei Reinert zu unterstützen. Letztlich obliegt die Entscheidung einzig der Familie Reinert und wir als Stadt sind nur in einer vermittelnden Rolle. 

 

Wie bereits erwähnt, schätze ich die Familie Reinert sehr aber als Bürgermeister und Gemeinderat, ist es unsere Aufgabe Politik für alle Bürgerinnen und Bürger zu machen und dabei immer neutral zu bleiben und nach bestem Wissen und Gewissen für die Allgemeinheit zu entscheiden. Denken Sie an die vielen älteren Menschen, für die es ein großer Gewinn sein wird, fußläufig einkaufen zu gehen oder auch an die jüngeren, die noch nicht mobil sind und nun eine Einkaufsmöglichkeit vor der Haustür hätten. Wenn wir diese Chance der dauerhaften und vollumfänglichen Lebensmittelversorgung jetzt nicht wahrnehmen, dann wird diese auch nie mehr zurückkommen. 

 

Auch ohne die Ansiedlung von Netto muss man hier als politisches Organ eine mögliche Situation bewerten:

Was wäre, wenn ein vorhandener Betrieb aus gesundheitlichen, familiären oder wirtschaftlichen Gründen schließt und es keinen Einkaufsmarkt gibt?

 

  • dann hätten wir gar keine Grundversorgung mehr im Ort! 
    Mit Blick auf die vergangene und zukünftige Entwicklung wäre das fatal. Eine Betrachtung rein nach Einzelinteressen kann und darf es hier einfach nicht geben.

 

„Netto ja, aber ohne Bäcker“ wie oben bereits erwähnt kann diesem Wunsch nicht entsprochen werden, diese Alternative gibt es einfach nicht. Die Petition behauptet, den Entscheidungsträgern wäre nicht bewusst, dass im negativen Falle auch Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt über kurz oder lang wegfallen könnten und somit in unsere Gemeindekasse ein Loch reißt. 

 

Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit. Zunächst kann man festhalten, dass die Gewerbesteuereinnahmen von den örtlichen Lebensmittelhandwerkern gerade mal im Mittelwert der letzten 10 Jahre rd. 1,5 % der gesamten Gewerbesteuer ausmachen. Darüber hinaus, wird je nach Entscheidung der Familie Reinert, der Bäcker ja entweder nur versetzt oder es kommt eine weitere Zweigstelle oder halt ein zweiter Bäcker dazu. Auch der Lebensmittelmarkt wird mittelfristig Gewerbesteuereinnahmen generieren. Die Auswirkungen für die Gemeindekasse sind also sogar positiv und im allerschlimmsten Fall ist es die ersten Jahre ein Nullsummenspiel. Hier von einem reißenden Loch in der Gemeindekasse zu sprechen, ist schlicht und einfach falsch. 

 

Neben den reinen Steuern ist aber auch die Zahl der Arbeitsstellen für eine Stadt ein wesentlicher Faktor – und hier werden bei der Ansiedlung von Netto ja unzweifelhaft neue Arbeitsplätze in allen Bereichen entstehen.

 

Auch die Auswirkungen auf Fleisch- und Wurstwaren, die in der Petition aufgeführt werden, sind mir nicht ersichtlich. Im Netto wird es keinen Metzger geben. Wenn die Petition vom Fleisch- und Wurstwarenangebot aus den Kühlregalen ausgeht, dann kann es hier rein von der Logik schon keine Auswirkungen geben. Es wird immer Menschen geben die Fleisch- und Wurstwaren vom Metzger oder eben aus den Kühlregalen kaufen. Daran ändert auch die Ansiedlung eines Netto Marktes nicht, dieser führt nicht dazu, dass ich mein Kaufverhalten derart grundsätzlich ändere, dass ich nun dem örtlichen Metzger den Rücken kehre. Hier liegt meist eine wirtschaftliche Kaufentscheidung vor und die Faktoren hierfür ändern sich nicht durch einen neuen Markt.

 

Letztlich bleibt zu sagen, dass wir als Widderner, Unterkessacher und Volkshausener Bürgerinnen und Bürger am Ende mit unserem Kaufverhalten entscheidend dazu beitragen, ob die örtlichen Betriebe weiterhin bestehen können. Die Stadt hat sich mit allen Kräften für die Bäckerei Reinert eingesetzt und wird diese auch in Zukunft weiter mit Aufträgen unterstützen.

 

Ihr

 

Kevin Kopf

Bürgermeister